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Funktionsstörungen des Gastrointetinaltraktes -
#1
Dermatitis und Malabsorption
Ein Malabsorptionssyndrom, normalerweise in milder Form, ist bei Patienten mit einer Vielzahl von dermatologischen Erkrankungen einschließlich Psoriasis {Schuppenflechte}, ekzematischer Dermatitis und Dermatitis herpetiformis beschrieben. Veränderungen der proximalen intestinalen {zum mittleren Darm gehörende} Mukosa werden fast regelmäßig bei Patienten mit Dermatitis herpetiformis gefunden. In einer Studie hatten 21 der 22 Patienten Läsionen, die in der Schwere von einer vollständig »abgeflachten« bis zu einer fast normalen intestinalen Mukosa reichten. Die Mukosaveränderungen waren häufig unregelmäßig in der Verteilung. Klinische Anzeichen und Laborparameter für eine deutliche Malabsorption sind selten, möglicherweise aufgrund der an dieser Hauterkrankung beteiligten begrenzten Länge des Dünndarms. Die Hautveränderungen der Dermatitisherpetiformis sprechen auf Sulfone an, die Darmveränderungen jedoch nicht. Andererseits kann bei einigen Patienten mit abgestumpften und abgeflachten intestinalen Mukosaläsionen und Steatorrhoe nach Weglassen des Glutens in der Diät eine auffällige Verbesserung der Zottenarchitektur und ein Rückgang der Steatorrhoe {fettiger Durchfall, Fettausscheidung im Stuhl} beobachtet werden, ohne daß sich die Hautveränderungen bessern. Des weiteren kann die Verabreichnung einer glutenreichen Diät bei Patienten mit Dermatitis herpetiformis und einer morphologisch normalen Dünndarmmukosa zur Ausbildung von abgestumpften und abgeflachten Schleimhautläsionen führen, die nicht von denen der Zöliakie zu unterscheiden sind. Wie bei der letztgenannten Erkrankung wird auch eine erhöhte Häufigkeit von HLA-A1 {human leukocyte antigen - type A1, Leukozyten Antigen} und HLA-B8 beobachtet. Diese Beobachtungen werfen die interessante Frage auf, ob bestimmte Patienten mit Dermatitis herpetiformis und Malabsorptionssyndrom eine latente Zöliakie haben.
Biochemische oder genetische Veränderung
Einheimische Sprue (Zöliakie)
Die einheimische Sprue ist eine Erkrankung, die durch Malabsorption, eine abnorme Dünndarmstruktur und eine Unverträglichkeit von Gluten, einem in Weizen und Weizenprodukten enthaltenen Protein, charakterisiert wird. Sie wird dementsprechend auch als Gluten-induzierte Enteropathie bezeichnet. Zöliakie bei Kindern und einheimische Sprue bei Erwachsenen sind wahrscheinlich ein und dieselbe Erkrankung mit der gleichen Pathogenese.
Es gibt nicht genügend Daten, um eine genaue Schätzung der Inzidenz er Bevölkerung vorzunehmen. Das liegt vorallem daran, daß die Schwere der Erkrankung sehr variiert und der einzelne typische Mukosaveränderungen aufweisen kann, ohne offenkundige Symptome zu zeigen. 70 % der Fälle in den meisten Untersuchungen sind Frauen. Die Inzidenz bei Geschwistern scheint um ein Vielfaches höher zu sein als bei der Gesamtbevölkerung. Es wird vermutet, daß Sprue durch ein dominantes Gen mit inkompletter Penetranz vererbt werden könnte. Zöliakie- Patienten haben eine erhöhte Häufigkeit von Serum- Histokompatibilitätsantigenen, besonders der HLA-DR3- und HLA-DQw2-Typen. Der HLA-DR3-Phenotyp wird bei 70-90 % der Sprue- Patienten im Vergleich zu 20-25 % der Normalbevölkerung gefunden. Die HLA- Antigene sind möglicherweise mit Genen der Immunantwort verbunden, die das immunologische Erkennen von bestimmten Substanzen (s. Kap. 64) festlegen. Es herrscht die Ansicht, daß solche genetischen Faktoren prädisponierend {vorbelastend} sind für die immunologische Tolerierung von Nahrungsmittelproteinen wie Peptiden in Gluten oder für die Produktion von pathogenen Antigluten- Antikörpern, die zu einer Bindung von Gluten an epitheliale Zellen mit nachfolgender Gewebezerstörung führen könnten. Die Dissonanz des Auftretens von Zöliakie bei HLA-identischen Geschwistern und einigen eineiigen Zwillingen erhebt die Frage, ob ein zusätzliches Sensibilisierungsgen (oder Gene), das noch nicht identifiziert wurde, für die Entwicklung von Zöliakie notwendig ist.
Pathophysiologie Gluten und die verwandte Substanz Gliadin sind Proteine mit einem hohen Molekulargewicht, die besonders in Weizen gefunden werden. Die alkohollösliche Fraktion des Glutens besteht aus glutaminreichen Gliadin-Polypeptiden, die in -, -, - und -Subgruppen eingeteilt werden können; Peptide aller 4 Gliadin- Subgruppen sind toxisch und induzieren {rufen hervor} die intestinalen Läsionen, wenn sie Patienten mit Zöliakie in der Remission verabreicht werden. Der exakte Mechanismus dieses Effektes ist nicht geklärt, aber es werden 2 Theorien vorgeschlagen, nämlich eine »toxische« und eine immunologische Theorie. Ein möglicher Mechanismus ist, daß Patienten mit Zöliakie eine spezifische Mukosa- Peptidase fehlt, so daß Gluten oder seine größeren glutaminhaltigen Peptide nicht effektiv in kleinere Peptide (d.h. Dipeptide oder Aminosäuren) hydrolysiert werden. Als Folge könnten »toxische« Peptide in der Mukosa akkumulieren. Es ist gezeigt worden, daß Patienten mit Zöliakie in Remission Steatorrhoe und typische Mukosaveränderungen entwickeln, wenn ihnen Gluten gegeben wird. Vergleichbare Resultate treten bei der Verabreichnung von Peptid- Hydrolysaten auf, die mindestens 8 Aminosäuren mit einem terminalen Glutaminrest enthalten. Es ist gezeigt worden, daß bei Patienten mit Zöliakie histologische Veränderungen innerhalb von Stunden nach der Einbringung von Gluten in das Ileum {unterer Teil des Dünndarms} auftreten. Im oberen Ileum werden keine Veränderungen beoachtet, was nahelegt, daß die Wirkung sofort eintritt und eher lokal als systemisch ist. Nachdem toxische Glutenfraktionen die oberflächlichen absorptiven Zellen zerstört haben, werden die geschädigten Zellen von der Schleimhautoberfläche in das Darmlumen abgestoßen. Um dies zu kompensieren, steigt die Zellproliferation an, die Krypten hypertrophieren, und die Zellwanderung nimmt zu, um die zerstörten und abgestoßenen Epithelzellen zu ersetzen. Diese beschleunigte Epithelzellenerneuerung ist reversibel durch eine glutenfreie Diät. Die intestinale Mukosa von Patienten mit Zöliakie zeigt zahlreiche Enzymveränderungen, einschließlich verminderter Spiegel von Disacchariden, alkalischer Phosphate und Peptidhydrolasen sowie einer verminderten Fähigkeit, Gluten- Peptide zu verdauen. Diese Abweichungen nähern sich jedoch nach einer erfolgreicher Behandlung mit glutenfreier Diät für gewöhnlich wieder Normalwerten an. Es gibt weitere Erkenntnisse, die das Konzept der Toxizität von Gluten und Glutenabbauprodukten bei Zöliakie unterstützen. Erstens ist Gliadin, besonders die A-Hälfte, für Sprue-Mukosa, die in einer Organkultur gehalten wird, toxisch und verursacht ultrastrukturelle Veränderungen sowie Depression der Disaccharidaseaktivität. Zweitens hydrolysiert die Sprue- Mukosa eine spezifische Fraktion eines Gliadinverdauungsprodukts (d.h. Fraktion 9) nur ungenügend, und die Fraktion 9 ist selektiv toxisch für Sprue- Mukosa. Drittens lösen spezifische Gluten- Fraktionen, die Patienten mit Zöliakie verabreicht werden, vorübergehende Veränderungen der Mukosa- Histologie und eine Depression der Disaccharidaseaktivität aus, eine vollständige Wiederherstellung ist jedooch innerhalb von 72 Stunden zu beobachten. Der schnelle Eintritt dieser Veränderungen und die prompte Erholung sprechen für einen direkten toxischen Effekt. Trotz intensiver Untersuchungen konnte jedoch keine persistente, spezifische oder selektive Peptidase- oder andere Enzymdefizienz nachgewiesen werden.
Es ist daran gedacht worden, daß Gluten oder Gluten- Metaboliten eine immunologische Reaktion der Darmmukosa auslösen könnten. Alternativ kann die Interaktion der T-Lymphozyten mit dem Kryptenepithel ein primäres Ereignis in der Pathogenese der intestinalen Läsion sein. Das Vorhandensein von mononukleären Entzündungszellinfiltraten in der Lamina propria der Mukosa, die günstige Antwort auf Glukokortikoidmedikamente, die Beobachtung von abnormen Antikörpern gegen Glaidin im Serum von Zöliakie- Patienten, die Synthese erhöhter Mengen von Antigliadin- Antikörpern durch Sprue- Mukosa in Organkultur und die Produktion von Lymphokinen wie dem Migrationsinhibitionsfaktor (MIF) durch Sprue- Mukosa, die mit Gliadin inkubiert wird, werden als Beleg zur Unterstützung dieser Hypothese aufgeführt. Es gibt jedoch immer noch keinen definitiven Nachweis dafür, daß ein abnormer (Immun-) Mechanismus für die Initiierung oder den Fortgang dieses Krankheitsprozesses von Bedeutung ist.
Eine mögliche Rolle des Adenovirus Serotyp 12 (Ad 12) in der Pathogenese der Zöliakie ist aufgrund von 2 Beobachtungen in Betracht gezogen worden: (1) die Homologie der Aminosäuresequenzen zwischen einem Teil des A-Glaidins und einem viruskodierten Protein (E16), das von Ad 12 produziert, und (2) Patienten mit unbehandelter Zöliakie haben viel häfiger Antikörper gegen Ad 12, verglichen mit behandelten Zöliakie- Patienten und Kontrollpersonen. In anderen Untersuchungen konnte indessen bei Zöliakie- Patienten im Vergleich zu Nichterkrankten keine auffällig höhere Prävalenz einer vorangegangenen Infektion mit Typ-12-Adenovirus nachgewiesen werden. Dennoch stimmen diese Beobachtungen mit der Hypothese überein, daß es sowohl einen Umweltfaktor als auch eine genetische Prädisposition geben muß, um zu erklären, warum nur bestimmte Personen eine Zöliakie entwickel. Trotz intensiver Untersuchungen gibt es noch nicht genügend Erkenntnisse, um die charakteristischen Ernährungsfaktoren sowie die immunologischen und genetischen Merkmale der Zöliakie zu einem klaren Bild von der Pathogenese der Erkrankung zu vereinen.
Jejunale Biopsieproben von Patienten mit Zöliakie zeigen normalerweise eine charakteristische Läsion. Es ist eine Abstumpfung und Abflachung der Mukosaoberfläche mit Zotten, die entweder fehlen oder breit und kurz sind, zu beobachten. Die Krypten sind vergrößert, zudem ist allgemein eine dichte Infiltration mit Entzündungszellen in der Lumina propria vorhanden. Das Oberflächenepithel ist verändert, es weist einen spärlichen Bürstensaum, kuboide anstatt normale kolumnare Zellen und Infiltration von Entzündungszellen in der Epithelschicht auf. Diese Veränderungen sind in der Regel im Dünndarm am ausgeprägtesten; vermutlich weil dieses Gebiet des Darmes der höchsten Glutenkonzentration ausgesetzt ist. Die typischen morphologischen Veränderungen, die in Abbildung 254-4 dargestellt werden, sind charakteristisch für Zöliakie, sind aber nicht spzifisch. Ähnliche Veränderungen sind bei anderen Zuständen beschrieben, einschließlich Lymphoma, tropische Sprue und Hypogammaglobinämie verbunden mit Malabsorption. Viele biochemische Abnormitäten sind in Biopsieproben von Zöliakie- Patienten nachgewiesen worden. Eine gestörte Veresterung der Fettsäuren zu Triglyzeriden, eine verminderte Aufnahme von Aminosäuren und eine vermiderte Aktivität der intestinalen Disaccharidasen (besonders der Laktase) sind gut dokumentiert. Die letztgenannte Beobachtung mag die hohe Inzidenz von Milchunverträglichkeit bei Patienten mit unbehandelter Zöliakie oder mit einem Rückfall erklären. Die größere Menge undifferenzierter Kryptenzellen kann jedoch wichtig sein, da Kryptenzellen normalerweise eine geringe Kapazität zur Nährstoffaufnahme haben als die Zottenzellen.
Da die Mukosa bei Patienten mit Zöliakie geschädigt und verändert ist, kann eine verminderte Freisetzung von pankreotropen Hormonen (Sekretin und Cholezystokinin, d.h. CCK) erfolgen. Dies führt zu einer verminderten Stimulation des Pankreas mit einem geringeren als normalen intraluminalen Spiegel an Pankreasenzymen nach einer Mahlzeit. Zusätzlich scheint die Gallenblase restitent gegen die Wirkung von Cholezystokinin zu sein, was zu fehlenden oder minimalen Kontraktionen der Gallenblase führt, was widerum den Einschluß der Gallensalze in einer empfindlichen Gallenblase zur Folge hat. Diese beiden Defekte können zu einer gestörten intraluminalen Digestion von Fett und Protein führen, was dann noch zusätzlich zu dem durch eine geschädigte Mukosa bedingten fehlerhaften Transport hinzukommt.
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#2
... Diarrhoe {dünnflüssiger Stuhlgang} ist bei Zöliakie- Patienten verbreitet und wird durch eine Reihe von Faktoren bedingt, darunter die verschlechterte Absorption von Salz und Wasser in Duodenum und Jejunum, eine Netto- Sekretion von Wasser und Elektrolyten durch eine abnorm permeable Jejunummukosa und eine Netto- Sekretion von Wasser und Elektrolyten im Kolon, induziert durch nicht absorbierte Fettsären und Hydroxyfettsäuren. Der distale {weiter von der Körpermitte weg liegende} Dünndarm hat bei Zöliakie jedoch die Fähigkeit, sich an die Schädigung und den Verlust von Absorptionskapazität im proximalen Dünndarm anzupassen. Tatsächlich ist eine erhöhte Absorption von Natrium, Chlorid und Wasser im Ileum bei Patienten mit Zöliakie demonstriert worden.
Klinisches Bild
Die meisten Patienten mit Zöliakie haben ein typisches Malabsorptionssyndrom, das durch Gewichtsverlust, abdominale Schwellungen und Blähungen, Diarrhoe, Steatorrhoe und abnorme Testergebnisse der absorptiven Funktion charakterisiert ist. Die charakteristischen Veränderungen bei Tests der intestinalen Absorption sind in Tabelle 254-2 aufgeführt. Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß, einige Sprue- Patienten einzelne Veränderungen aufweisen, die zunächst nicht auf eine Zöliakie hindeuten. So kann ein Patient zur Untersuchung überwiesen werden wegen Eisenmangelanämie ohne erkennbaren Blutverlust oder wegen abnormer Blutungen aufgrund einer Hypoprothrombinämie, hat aber vielleicht keine Diarrhoe oder offenkundige Steatorrhoe. Ebenso können Sprue- Patienten eine rätselhafte metabolische Knochenerkrankung ohne Diarrhoe oder Steatorrhoe aufweisen. Solche Patienten klagen meist über Knochenschmerzen und Schwäche. Häufig werden bei ihnen eine ausgeprägte Demineralisation der Knochen, Kompressionsdeformationen, Kyphoskoliose und Milkman- Frakturen festgestellt. Emotionale Schwankungen sind bei Patienten üblich und bei vielen Patienten mit diagnostizierten Gewichtsverlust, der zuächst mit schweren Angstzuständen und Depression in Verbindung gebracht wurde, wird später eine Zöliakie festgestellt. Bei jedem der oben genannten klinischen Bilder sollte Zöliakie als Differentialdiagnose in Betracht gezogen werden. Zusätzlich zur Dermatitis herpetiformis gibt es gesicherte Beziehungen zwischen Zöliakie und Diabetes mellitus, selektiver IgA- Defizienz, primärer sklerosiernder Cholangitis, primärer biliärer Zirrhose, ulzerativer Kolitis und, was vielleicht die größte Bedeutung hat, lymphozytärer und mikroskopischer Kolitis.
Da es keinen spezifischen diagnostischen Test gibt, sollten 3 Kriterien zusammentreffen, um zu einer definitiven Diagnose der Zöliakie zu gelangen: (1) Belege für eine Malabsorption, (2) eine veränderte Dünndarm(jejunale)- Biopsie, die eine Abstumpfung und Abflachung der Zotten zusammen mit Veränderungen des Oberflächenepithels zeigt, und (3) klinische, biochemische und histologische Besserung nach Verordnung einer glutenfreien Diät. In zweifelhaften Fällen sollten bei den Patienten ein Test mit 30 - 50g oral verabreichten Gluten vorgenommen werden. Wenn diese sofort zu einer verstärkten Diarrhoe {Durchfall} und Steatorrhoe {fettiger Durchfall} führt, ist die Diagnose einer gluteninduzierten Enteropathie gesichert. Es sollte darauf hingewiesen werden, daß Tests der intestinalen Absorption Abweichungen aufzeigen können, die von sehr geringfügigen bis zu sehr schweren Veränderungen reichen. Es konnte gezeigt werden, daß die Abweichungen der Absorptionsttests recht gut mit der Ausdehnung des einbezogenen Dünndarmabschnittes und weniger genau mit der Schwere der proximalen Läsionen korrelieren. Antigliadin- Antikörper werden verbreitet für das Screening der Zöliakie eingesetzt. In einer Untersuchung wurden mit dieser Methode Probanden für die jejunale {tiefere Abschnitte des Dünndarmes betreffend} Biopsie aus 328 Verwandten ersten Grades von 128 adulten Sprue- Patienten ausgewählt. 21 erwiesen sich als positiv in bezug auf Antigliadin- Antikörper und bei 13 war der jejunale histologische Befund übereinstimmend mit Zöliakie. Der antiendomysiale Antikörper scheint ebenfalls eine aussichtsreiche Testmethode zu bieten. Damit gelten die Untersuchungen der Antigliadin- und der antiendomysialen Antikörper als nützliche Methoden für das Screening auf Zöliakie bei Familienmitgliedern. Verwandte positiven Testergebnissen können als latent an Zöliakie erkrankt angesehen werden. Eine mögliche Variante der Zöliakie ist die kollagene Sprue. Bei dieser Erkrankung zeigen die Dünndarmbiopsieproben charakteristischerweise eine abgestumpfte und abgeflachte Mukosa sowie ausgedehnte Massen eines eosinophilen hyalinen {glasig, durchscheinend, transparent} Materials in der Lamina propria. Bei einer Untersuchung von 349 Biopsieproben aus dem Jejunum von 145 Patienten mit Zöliakie wiesen 45 (31%) eine verdickte Basalmembran, oft verbunden mit einer Kollageneinlagerung, auf, doch eine dichte Kollageneinlagerung wurde nur bei 11 Patienten beobachtet. Leider entwickelte sich bei 4 der letztgenannten Patienten eine unbehandelbare Malabsorption. Diese Beobachtungen legen nahe, daß eine kollagene Membranverdickung ein ziemlich häfiger Befund in Jejunalbiobsien von Patienten mit Sprue ist, daß aber dichte Kollagenablagerungen ein ungewöhnliches Bild sind und auf eine ungünstige Prognose hinweisen können.
Behandlung Trotz der Unsicherheit hinsichtlich der Diagnosestellung bei Zöliakie tritt nahezu bei 80% der Patienten nach Einsetzen einer glutenfreien Diät eine Besserung ein. Eine symptomatische Besserung tritt normalerweise innerhalb weniger Wochen ein, aber eine Verbesserung der Testergebnisse der absorptiven Funktionen und der histologischen Dünndarmcharakteristika kann auch nach Monaten noch nicht festzustellen sein. Es ist wiederholt gezeigt worden, daß das strikte Festhalten an einer glutenfreien Diät zuverlässiger zu einer Besserung führt als eine suboptimale Glutenreduktion. Trotzdem zeigen einige Fälle auch bei strikter Diäteinhaltung nur eine geringe Verbesserung des intestinalen histologischen Bildes. Patienten mit Zöliakie, die mit Glukokortikoiden (Cortison) behandelt werden, die aber eine normale glutenhaltige Kost beibehalten, weisen sowohl eine symptomatische Besserung als auch eine Verbesserung der intestinalen Histologie und der intestinalen absorptiven Funktionstests auf. Der Mechanismus, durch den Glukokortikoide (Cortison) die Mukose vor der Wirkung des Glutens schützen, ist nicht bekannt.
Wenn ein Patient nicht auf glutenfreie Diät anspricht, müssen andere Möglichkeiten oder komplizierende Faktoren in Betracht gezogen werden: (1) Die Diagnose ist falsch, (2) der Patient hält sich nicht streng an die Diät, (3) es gibt noch eine begleitende Erkrankung, beispielsweise eine Pankreainsuffizienz, (4) der Patient hat möglicherweise eine Ulzeration (Entwicklung eines Geschwürs) des Jejunums oder des Ileums, (5) es besteht eine Laktase-Defizienz mit resultierender Milchunverträglichkeit, (6) der Patient hat möglicherweise eine kollagene Sprue, (7) bei dem Patienten kann sich ein intestinales Lymphom {Lymphknotenschwellung} entwickelt haben - eine Erkrankung, die bei Patienten mit Sprue häfiger aufzutreten scheint als bei der Gesamtbevölkerung -, und der Patient kann eine lymphozytäre oder mikroskopische Kolitis entwickelt haben. Schließlich sollte betont werden, daß eine kleine Zahl von Patienten eine deutliche verzögerte Reaktion auf eine glutenfreie Diät zeigt, wobei eine signifikante Verbesserung erst nach 24-36 Monaten Therapie eintritt. Etwa 50% der Patienten mit hartnäckiger Sprue sprechen auf Glukokortikoide an; solche Patienten können auch eine parenterale Hyperlimentation {zusätzliche Zufuhr an Mineralstoffen und Vitaminen} benötigen.
Systemische Mastozytose Bei etwa 30% der Patienten mit systemischer Mastozytose {Mastzellenerkrankung} treten Hinweise auf Malabsorption auf. Die Malabsorption ist normalerweise nicht schwerwiegend und manifestiert sich primär als geringgradige oder moderate Steatorrhoe und vermindert Absorption von D-Xylose und Vitamin B12. Dünndarmbiopsieproben zeigen typischerweise eine moderate Verkürzung der Zotten und Mastzellinfiltrate.
Disaccharidasemangel-Syndrom
Wie oben schon erwähnt, erfolgt die Hydrolyse von Disacchariden an oder innerhalb des Bürstensaumes (Mikrovilli) der intestinalen Epithelzellen durch spezifische Disaccharidasen, die dort lokalisiert sind. Wie erwartet sind sowohl primäre (genetische oder familiäre) als auch sekundaäre (erworbene) Defizienzen dieser Disacchadasen zu beobachten.
Laktasemangel beim Erwachsenen Fälle von isoliertem Laktasemangel in der Mukosa treten auf; sie sind mit Symptomen von Laktaseunverträglichkeit verbunden. Da Laktose den hauptsächlichen Kohlenhydratanteil der Milch stellt, zeigen solche Menschen eine Milchunverträglichkeit mit Symptomen wie Bauchkrämpfen, Blähungen oder Aufblähungen und Diarrhoe. Gleiche Symptome treten auch nach der Aufnahme von Laktose auf. Die Symptome sind darauf zurückzuführen, daß Laktose nicht absorbiert wird, wenn sie nicht hydrolysiert ist, und daß ihre osmotische Wirkung im Lumen zum Austritt von Flüssigkeit in den Intestinaltrakt führt. Der PH-Wert des Stuhls ist ebenfalls verringert aufgrund der Produktion von Milchsäure und kurzkettigen Fettsäuren aus der Fermentation von Laktose durch Kolonbakterien. Obwohl ein primärer intestinaler Laktosemangel vererblich zu sein scheint, kann die Laktose- oder Milchunverträglichkeitbis zur Pupertät oder späten Adoleszens klinisch nicht in Erscheinung treten. Es gibt signifikante Rassenunterschiede bei der Inzidenz dieser Erkrankung. Es scheint, daß etwa 5-15% der adulten weißen Bevölkerung einen intestinalen Laktasemangel aufweisen, bei schwarzen Amerikanern, Bantus und Orientalen aber ist eine Häfigkeit von 80-90% dokumentiert.
Die Diagnose kann vermutet werden, wenn man eine Anamnese von gastrointestinalen Symptomen nach der Aufnahme von Milch erhält. Es sei darauf hingewiesen, daß die Aufnahme nur moderater Mengen von Laktose, d.h. von 5-12 g entsprechend 100-200 ml Milch, häufig zu Symptomen führt. Blähungen, Kräpfe und Flatulenz {Abgang von Blähungen}, nicht aber Diarrhoe, werden durch die Aufnahme von geringen bis mäßigen Mengen von Laktose hervorgerufen. Die große Mehrheit von Patienten mit Laktoseintoleranz wissen, daß sie Milch nicht vertragen und vermeiden sie. Daß diese Symptome nicht auf allergische Reaktionen auf Proteine in der Milch (d.h. Milchallergie oder Überempfindlichkeit) zurückzuführen sind, kann mit Hilfe eines Laktoseintoleranztests nachgewiesen werden. Dieser Test besteht darin, daß oral eine Dosis (normalerweise 0,75-1,5 g/kg KG) verabreicht wird und Reihen-Blutproben zur Bestimmung des Blut- Glukose- Spiegels genommen werden. Bei einem positiven Testergebnis treten intestinale Symptome auf, und der Blut- Glukose- Spiegel steigt um weniger als 1,1 mmol/l (20 mg/dl) über den Nüchtern- Spiegel an. Es treten jedoch bei 20% der gesunden Personen falsch- positive oder falsch- negative Ergebnisse auf, weil der Test durch die Magenvölle und den Glukosestoffwechsel beeinflußt wird. Die Wasserstoffmessung in der Atemluft nach der Aufnahme von 50 g Laktose ist eine sensiblere und spezifischere Testmethode. Das Grundprinzip dieses Tests ist, daß Wasserstoff durch Kolonbakterien aus nichtabsorbierter Laktose freigesetzt wird und sich die Atemluft- Wasserstoff- Ausscheidung demzufolge steigert. Der Test ist nicht invasiv und wird durch Magenvölle oder metabolische Faktoren nicht beeinflußt. Ungefähr 70% der Patienten mit primärer Laktoseunverträglichkeit sprechen auf eine laktosereduzierte Diät an, während die verbleibenden 30% dies aufgrund eines zugrundeliegenden Reizdarmsyndroms nicht tun.
Antworten
#3
... Ein erworbener Laktasemangel wird oft in Verbindung mit einer Vielzahl von gastrointestinalen Erkrankungen beobachtet, wobei es bei vielen histologische Belege für Mukosaschäden gibt. Zu den Erkrankungen, bei denen Laktoseintoleranz und Laktasedefizienz auftreten können, gehören die einheimische und die tropische Sprue, die regionale Enteritis, virale und bakterielle Darminfektionen, Giardiasis, Abetalipoproteinämie, zystische Fibrose und ulzerative Kolitis. Patienten sowohl mit priären als auch mit erworbenen (sekundärem) Laktasemangel vertragen häfig Joghurt, da dieser Laktasen bakteriellen Ursprungs enthält.
Mangel an anderen Disaccharidasen Eine Schädigung der intestinalen Mukosa kann vermiderte Spiegel an anderen Disaccharidasen, so an Saccharase- Isomaltase, zur Folge haben. Diese sind aber meist nicht so stark gehemmt wie Laktase, und Symptome einer spezifischen Unverträglichkeit, wie einer Saccharoseintoleranz, sind ungewöhnlich. Ein Saccharase- Isomaltase- Mangel ist zwar nicht so häufig wie der Laktasemangel, doch nichtsdestotrotz ist er eine wichtige Ursache von Durchfall, Blähungen und krampfartigen Bauchschmerzen bei Kindern. Solche Patienten sind häufig nicht in der Lage, eine zuckerarme Diät einzuhalten. Daher ist die Beobachtung, daß die Symptome der Zuckermalabsorption durch das einfache Mittel der Aufnahme lebender Hefezellen gebessert werden kann, von beachtlicher praktischer Bedeutung
Hypogammaglobulinämie Malabsorption kann mit Hypogammaglobulinämie oder Agammaglobulinämie vergesellschaftet sein. Die Hypogammaglobulinämie kann sowohl zum angeborenen als auch zum angeworbenen Typ gehören und sie kann schon in der Kindheit oder erst beim Erwachsenen einsetzen. Wenn eine Malabsorption festgestellt wird, so schließt sie eine reduzierte Absorption von Fett, D-Xylose und Vitamin B12 ein. Eine perorale Biopsie kann Veränderungen aufdecken, die denen bei einheimischer Sprue vergleichbar sind, es werden aber häufig auffälligere mononukleäre Infiltrate gefunden, was der Mukosa sowohl mikroskopisch als auch makroskopisch ein knotiges Aussehen verleiht. Diarrhoe und Steatorrhoe können der Entwicklung einer Hypogammaglobulinämie sowohl vorausgehen als auch nachfolgen und können sich während Infektionserkrankungen verschlimmern und abklingen, nachdem die Infektion durch Antibiotika kontrolliert wird. Eine intestinale starke Vermehrung von Giardia lamlia ist verbreitet bei Patienten mit Hypogammaglobulinämie. Sorgfältige Sammlung und Kultivierung von intestinaler Flüssigkeit haben eine sehr große Zahl anaeroben Bakterien im Dünndarm einiger Patienten mit Hypogammaglobulinämie aufgezeigt. Die Verbindung zwischen einer solchen starken Vermehrung der Anaerobier und Diarrhoe sowie Steatorrhoe bedarf weiterer Klärung. Bei Patienten mit diesem Syndrom sind auch Arthritis, ähnlich der rheumatischen Arthritis, und Thymome beschrieben worden. Bei manchen Menschen kann eine spontane Besserung der Diarrhoe und Malabsorption eintreten, während bei anderen Besserung nach Behandlung mit glutenfreier Diät, mit Glukokortikoiden, Antibiotika, Injektionen von Gammaglobulin sowie mit Cholestyramin erfolgen kann. Obwohl eine vorübergehende Besserung häufig auftritt, ist ein vollständiges Verschwinden der Symptome außerordentlich ungewöhnlich.
Die Verbindung zwischen Hypogammaglobulinämie und Malabsorption bleibt unklar. Es gibt derzeit keine eindeutigen Hinweise auf einen exzessiven Verlust von Gammaglobulin oder eine Veränderung der intestinalen Mikroflora, aber möglicherweise spielen Abweichungen des IgA- Metabolismus bei diesem Syndrom eine Rolle. Dieses Immunglobulin ist das vorherrschende in der intestinalen Mukosa und wird in vielen exokrinen Sekreten gefunden, einschließlich Tränen, Speichel, Magensaft und Darmsaft. Bei einigen Patienten ist eine Malabsorption und ein selektiver Mangel an IgA beschrieben worden.


Quellenangabe
K.J.G. Schmailzl [Hrsg.]: Harrisons Innere Medizin 2;
13. Auflage; Blackwell Wissenschafts • Verlag, Berlin ..., 1995
ISBN 3-89412-173-4.

Kapitel 254 - Absorptionsstörungen
Teil 10 - Funktionsstörungen des Gastrointetinaltraktes
Abschnitt 1 - Funktionsstörungen des Verdauungstraktes
Seite 1640 - 1644.



L. Gruß
claudia
Antworten
#4
Schmalzl ist gut!!!!!
Aber *schäm wegen des abers*:
- an eine pollenassoziierte Gluten-/Mehlunverträglichkeit hat er wohl 95 noch nicht gedacht! Ebenfalls nicht daran, dass meist eine Summe an Allergien- Unverträglichkeiten- Pseudoallergien und Malabsoprtionen vorkommen, die dann auch das "Nicht-Besser-Werden" der Symptomatik erklären, wenn ich nur einen Teil der Auslöser weglasse.....

Sehr gut allerdings ist der Hinweis : Hauterkrankungen und Malabsorptionen!

Weniger gut: Fruktosemalabsorption und Sorbitintoleranz finden bei ihm (noch) keine Erwähnung, ebenso wird der Saccharase-Isomaltase-Mangel als ein angeborener Disaccharidasen Mangel erklärt, ohne zu bedenken, dass auch er erworben werden kann. Und das mit den "lebenden Hefezellen" beschert den Patienten mit dem erworbenen SIM mitunter ganz gewaltige Reaktionen und nicht die gewünschte positive Wirkung.

Und natürlich ist zu bemängeln, dass auch er nur mit den "klassischen" Lehrbuchsympotmen bei LI - Diarrhoe, Meteorismus und Flatulenz aufwartet -
dass wir aber eine ganze "Palette" andrer Symptome bieten können.... Big Grin
Auch er sieht es als eine "singuläre" Symptomatik - ohne die allergologische Seite zu bedenken.
Aber wir könnten ja schon froh sein, wenn die Mehrzahl der Ärzte diese Publikation ( auch wenn sie schon nahezu 10 Jahre alt ist) kennen würden.
Genug gemault
Lieber Gruß und danke nochmal
Uli
Antworten


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