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ernährung: wenn essen krank macht
#3
...fortsetzung...

Eine Rückbesinnung auf bewussteren Umgang mit der Ernährung empfiehlt auch Erika Jensen-Jarolim, Leiterin des Instituts für Pathophysiologie an der Wiener Medizinischen Universität: „Sich auf eine Mahlzeit einstimmen, dem Magen Zeit geben, damit er seine Funktion aufnehmen kann“, empfiehlt Jensen-Jarolim als Grundregeln. „Nicht nach dem Essen zum Workout hetzen. Die Verdauung arbeiten lassen, vielleicht ein wenig herumgehen.“ Auf diese Weise ließen sich Gastritiserkrankungen und Magengeschwüre weit gehend vermeiden – wie auch die Verabreichung von Medikamenten, welche die Säurebildung im Magen blockieren sollen, damit das geschädigte Organ ausheilen kann.

Krank durch Medizin. Die Arbeitsgruppe der Wissenschafterin wies in einer Studie an rund 200 Patienten nach, dass Medikamente aus der Gruppe der so genannten Protonenpumpenhemmer die Entstehung von Allergien auf Nahrungsbestandteile fördern können. Dafür wurde sie mit dem Preis für europäische Allergieforschung ausgezeichnet. „Der Magen ist die oberste Instanz der Verdauung, um aufgenommene Proteine unschädlich zu machen und in gut zerkleinerte Nährstoffe umzuwandeln“, erläutert Jensen-Jarolim. Wenn der Magen seine Aufgabe erfüllt, kann es zu keiner Allergie kommen, denn das Fremdeiweiß ist zerstört. Um dies zu bewerkstelligen, benötigt er das Enzym Pepsin, das bei hoher Konzentration von Magensäure aktiviert wird. Ohne Magensäure kein aktives Pepsin, und ohne Pepsin keine Eiweißverdauung.

Nach der Einnahme von Protonenpumpenhemmern gelangen die Eiweißmoleküle indes unbehelligt in den Dünndarm, wo sie aufgenommen werden und die Bildung von Antikörpern einleiten. Der Allergiemechanismus wird dadurch in Gang gesetzt. „Wir konnten zeigen, dass mit dieser Behandlung ein 15-prozentiges Risiko für eine Sensibilisierung gegen Nahrungsproteine einhergeht“, sagt die Forscherin.

Dieses Risiko könnte vermieden werden, wenn der säurearme Magen während der Behandlung mit Schonkost versorgt würde. Doch, so Jensen-Jarolim, Schonkost wird weder von den Herstellern der Medikamente empfohlen noch von den behandelnden Ärzten. „In den USA gibt es Protonenpumpenhemmer rezeptfrei über den Ladentisch, und bei uns werden sie von praktischen Ärzten und Spezialisten großzügig verschrieben.“ Das Studienergebnis erregte vor allem in den USA einiges Aufsehen. „Da haben einige Unternehmen um ihr Geschäft gefürchtet“, glaubt die Forscherin, die in der Folge mit recht unfreundlichen Briefen bedacht wurde.

Darüber hinaus ging sie jenen Mechanismen auf den Grund, die in verschiedenen Lebensaltern Nahrungsmittelallergien begünstigen. Dabei seien, wie sie sagt, drei Zeitfenster ausschlaggebend: einerseits die ersten zwei Lebensjahre, in denen Kinder noch wenig Magensäure bilden und deshalb keine allergenen Nahrungsmittel wie Fisch oder Rohkost essen sollten. Aber auch im höheren Alter, dem zweiten Fenster, lässt die Produktion von Magensäure nach, und die Proteinverdauung wird schlechter. Die Kost sollte besser durchgekocht werden, gut eingespeichelt und zerkaut. „Das dritte Allergiefenster geht in der Blüte des Lebens auf, wenn der Alltagsstress seinen Höhepunkt erreicht und der Magen zu viel Säure produziert“, so Jensen-Jarolim. „Die Menschen greifen dann zu den neutralisierenden Medikamenten und holen sich Allergien.“

Kennzeichnung. Der Anstoß dazu, dass die wichtigsten Substanzen, die Allergien und Nahrungsunverträglichkeiten verursachen können, inzwischen in die internationale Kennzeichnungspflicht aufgenommen wurden, kam von Hertha Deutsch, der Wiener Mutter eines Zöliakie-Kindes. Wie Deutsch berichtet, wäre ihr 1981 geborener Sohn Thomas im ersten Lebensjahr beinahe an einer Zöliakie gestorben. Die von ihr und anderen betroffenen Eltern gegründete Elterninitiative namens Österreichische Arbeitsgemeinschaft Zöliakie konnte erreichen, dass glutenhaltige Zutaten weltweit auf Lebensmittelverpackungen deklariert werden. Seit November 2005 schreibt außerdem eine EU-Kennzeichnungsrichtlinie vor, dass die häufigsten Allergene wie auch Gluten und Milchzucker auf den Verpackungen von Nahrungsmitteln genannt sein müssen.

Eine bedeutende Entdeckung gelang auch Reinhart Jarisch, dem Leiter des Floridsdorfer Allergiezentrums. Bereits 1993 konnte Jarisch im Rahmen einer Studie feststellen, dass der Botenstoff Histamin sowohl für eine Nahrungsunverträglichkeit als auch für chronische Kopfschmerzen verantwortlich sein kann. Nachdem nicht nur Nahrungsmittel wie Rotwein, konservierte Wurst oder Hartkäse den Histaminspiegel erhöhen, sondern da auch Allergien zur Ausschüttung des Botenstoffs führen, geht diese Überempfindlichkeit oft mit einer Allergie Hand in Hand. In Österreich sind etwa drei Prozent der Bevölkerung, rund 240.000 Menschen, davon betroffen.

„Es tat mir weh mitanzusehen, wie die Leute mit ihren Nahrungsunverträglichkeiten zur Bioresonanztherapie oder anderen Alternativmethoden gepilgert sind“, so Jarisch. „Da packte mich der Ehrgeiz: Es musste doch möglich sein, diesen Syndromkomplex mit den Mitteln der Schulmedizin aufzuklären.“

Heute testet Jarisch seine Reizdarmpatienten systematisch auf Allergien und Unverträglichkeiten und verordnet ihnen dann individuell abgestimmte Therapien und Ernährungsempfehlungen. Nach eigenen Angaben gelingt mit dieser Behandlung bei 87 Prozent der Patienten eine mindestens 50-prozentige Besserung des Zustandes.

Von Johanna Awad-Geissler
Wenn du dich über andere Mitmenschen ärgerst, dann sage dir "sie sind nur zu meiner Unterhaltung da"... Big Grin
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