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"Vollwert"-Kost
#1
Sehr aufschlußreicher Beitrag über die negativen Effekte sog. "Vollwertkost": Folgen wie Maldigestion und Malabsorption, Enzymzerstörung, Intoxikationserscheinungen und Unverträglichkeiten durch problematische Inhaltsstoffe etc. werden hier erläutert.

Lena



aus EU.L.E.n-Spiegel 4-5/2004

Vollwertkost: Wiederbelebungsversuche

Von Tamás Nagy

„Der Begriff Vollwert-Ernährung hat Geschichte gemacht, ist deshalb aber nicht Geschichte geworden.” Mit diesen Worten versucht Claus Leitzmann, Mitbegründer der zeitgenössischen Vollwertidee, seine gescheiterte Lehre erneut unters Volk zu bringen. Das dürfte vor allem seinen Anhängern zu denken geben, die sich den „ganzheitlichen” Ernährungsregeln verschrieben haben und daher hohe Anteile an Rohkost und insbesondere Vollkorn verzehren. Wie viele mögen dem emeritierten Professor schon Jahrzehnte die Treue halten und sich Tag für Tag „unerhitzte Frischkost” einverleiben? Nun aber müssen die Verfechter des Vollkorns von Leitzmann persönlich erfahren, dass ihre Ernährungsweise auf Wiederbelebungsversuche angewiesen ist. Mehr noch: Der Vollwertprediger sieht sich sogar dazu gezwungen, sein Konzept (Vollwertig veräppelt zum weiterlesen in der Printausgabe ) nachträglich zu rechtfertigen.

Biologische Lektion
Leitzmann ist sich nicht zu schade, seine eigenen Fehler zu leugnen, indem er den Vollwertflop anderen anlastet: Statt einzugestehen, dass Rohkost den meisten Menschen schlichtweg nicht bekommt, müssen „unqualifizierte Trittbrettfahrer”, „sensationsorientierte Medien”, „Teile der Ernährungsindustrie” und nicht zuletzt die „moderne Spaßgesellschaft” als Sündenböcke herhalten. Gleichzeitig probiert es Leitzmann mit Optimismus. Das „inhaltlich von der Wissenschaft zunehmend bestätigte Konzept” sei weiterhin hoch aktuell und die Vorzüge einer ganzheitlichen Ernährungsweise würden derzeit offenbar wieder entdeckt, schreibt er im Ernährungsrundbrief des Arbeitskreises für Ernährungsforschung. Und weiter: „Kompetente Forschung, professionelle Beratung und der Wunsch nach einer zeitgemäßen und nachhaltigen Ernährungsweise – sowie seriöse Medien – werden die weitere Verbreitung der Anliegen der Vollwert-Ernährung unterstützen und das gute Ansehen des Begriffs wie-der stärken.” Darf es jetzt also der Zeitgeist richten, der sich anscheinend jeder wie auch immer gearteten Form von Nachhaltigkeit verschreibt? Oder die Medien, die vorher noch angeblich die Vollwerternährung in den Dreck gezogen haben und jetzt als willige Komplizen Buße tun sollen? Es drängt sich der Verdacht auf, dass Leitzmann selbst nicht mehr an das glaubt, was er schreibt.
Vielleicht hat er schon lange geahnt, dass sein Vollwertkonzept nicht aufgehen kann. Zu sehr stand eine Ideologie im Mittelpunkt und nicht das Individuum, das ihren Zielen gerecht werden sollte. Denn darüber, ob er Rohkost bevorzugt oder nicht, entscheidet letztlich der Konsument bzw. dessen Darm – da kann die propagierte Ernährungsweise noch so „umwelt- und sozial-verträglich” sein. Schon möglich, dass das bestechend einfach gestrickte Prinzip der Kostform – je unverarbeiteter die Nahrung desto natürlicher, artgemäßer und gesünder – manchen Zeitgenossen zunächst über-zeugt hat. Sicher kam es diesem entgegen, wenn er komplizierte Nährstofftabellen beiseite legen konnte und sich nur noch am Verarbeitungsgrad von Lebensmitteln orientieren brauchte. Dennoch machten ihm letztlich die Gesetze der Biologie einen Strich durch die Rechnung.
Denn es hat seinen Grund, weshalb der Mensch seine Nahrung vor dem Verzehr verarbeitet: Erst dadurch macht er Kartoffeln, Hülsenfrüchte oder Getreide genießbar (vgl. EU.L.E.n-Spiegel 2004/H.3/ S.19). Im unbehandelten Zustand enthalten die meisten Gemüse und Cerealien eine Reihe von Abwehrstoffen („Volles Korn – volles Risiko” zum Weiterlesen in der Printausgabe), die den Appetit potenzieller Fraßfeinde verderben sollen. Viele dieser Substanzen beeinträchtigen die menschliche Verdauung und senken – wie die Enzyminhibitoren – den Nährwert, andere wiederum sind – wie das Solanin – sogar giftig. Verhängnisvollerweise tummeln sie sich gerade in der als „gesund” geltenden Randschicht der Getreidekörner, die von Rohköstlern möglichst „natürlich” mitgegessen wird. Weil schädliche Proteine wie Enzyminhibitoren reich an essenziellen Aminosäuren sind, erweckt Getreideprotein in Nährwerttabellen den Anschein, es sei besonders hochwertig – ein doppelter ernährungswissenschaftlicher Irrtum angesichts der Tatsache, dass es nicht nur selbst größtenteils unverwertbar ist, sondern auch die Verfügbarkeit anderer Nährstoffe verhindert.

Vergifteter Darm

Unangenehme Blähungen, die für den Einstieg in die Vollwertkost meist typisch sind, zählen zu den eher harmlosen Nebenwirkungen der Antinutritiva. Über einen längeren Zeitraum konsumiert können sie gar eine intestinale Autointoxikation hervorrufen, also eine Selbstvergiftung, die vom Darm ausgeht. Der Grund: Sobald Amylaseinhibitoren aus dem Vollkorn körpereigene Enzyme regelmäßig an der Stärkeverdauung hindern, bleibt diese den Darmbakterien überlassen. Dadurch kommt eine regelrechte „Zuckerfabrikation” in Gang, die schließlich zur Bildung von giftigen und stark riechenden Stoffen bzw. Gasen führt, unter anderem von Gärungsalkoholen, Fuselölen und Fäulnisstoffen wie Indol, Kresol oder Skatol sowie jeder Menge biogener Amine. Die mutagenen und zytotoxischen Verbindungen schädigen Schleimhaut, Drüsen, Muskeln, Nerven und Immunsystem des Darmes. Nach Angaben von Karl Pirlet, ehemaliger Ordinarius an der Uniklinik Frankfurt und seit Jahrzehnten ärztlich und wissenschaftlich mit den Folgen der Vollwerternährung beschäftigt, hat die Intoxikation nicht nur Erkrankungen der Verdauungsorgane zur Folge: Sie kann auch zu chronischen Katarrh- und Infektionszuständen führen, zur arteriellen Gefäßsklerose sowie zu entzündlichen bzw. degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparates.
Dass stetiger Vollkornverzehr den Verdauungstrakt langfristig überfordert, liegt auf der Hand. Schließlich hat der Mensch im Vergleich zu typischen Pflanzenfressern wie Rindern oder Federvieh weder Pansen noch Kropf, die ihm dabei helfen, Körner aufzuschließen und bekömmlich zu machen. Er nutzt Getreide erst seit rund 10 000 Jahren in nennenswerter Menge als Nahrungsmittel und musste aufwändige Verarbeitungsmethoden wie Mahlen, Fermentation und Backen entwickeln, um es verdauen und seine Nährstoffe verwerten zu können. Im Gegensatz zum modernen Rohköstler haben sich selbst unsere frühen Vorfahren nicht mit rohen Getreidekörnern verköstigt. Zu den Prozeduren, denen bereits einfache Breie und Fladen – also die Vorstufen des Brotes – unterworfen waren, gehörten das Rösten und Zerstoßen der Körner. Dazu griff der Mensch in der Stein- und Bronzezeit auf einfache Mahlsteine bzw. Mörser zurück. Der Röstvorgang verbesserte die Verdaulichkeit der Produkte, indem er einen erheblichen Teil der sekundären Pflanzenstoffe zerstörte. Auch die Römer rösteten ihr Getreide. Damit erleichterten sie nicht nur das Marschgepäck der Legionäre, sondern schützten das Gut zudem vor Schimmel und Fäulnis.

Fatale Langzeitfolgen

Davon, wie gefährlich unverarbeitete Fasernahrung ist, zeugen nicht zuletzt die erschreckenden Ergebnisse einer Gießener Studie: Der langjährige Verzehr von Rohkost (70-100 Prozent der Nahrungszufuhr) äußerte sich bei den über 500 Teilnehmern in einemstarken Gewichtsverlust. Innerhalb von knapp vier Jahren büßten die männlichen Probanden durchschnittlich fast zehn und die weiblichen zwölf Kilogramm Körpergewicht ein. Bei nahezu einem Drittel der Frauen unter 45 Jahren blieb die Regelblutung aus, rund 70 Prozent klagten über Menstruationsbeschwerden. Untergewicht und Amenorrhoe korrelierten positiv mit der Höhe des Rohkostverzehrs. Die Autoren verweisen in diesem Zusammenhang auf ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Osteoporose . Dass sie dennoch mit der Bemerkung schließen, ein Rohkostanteil von 50 Prozent der zugeführten Nahrungsmenge sei „für die Gesundheit unter normalen Bedingungen optimal”, dürfte wohl daran liegen, dass Claus Leitzmann die Untersuchung betreute.
Damit hat die Vollwertlehre ihre Anhänger auf der ganzen Linie getäuscht. Wie ungesund – weil artwidrig – Rohkost auf Dauer sein kann, mussten die meisten letztlich am eigenen Leib erfahren. Von den Tücken der Körner blieben nicht einmal die Vollwertaufklärer verschont: Viele griffen – im stillen Kämmerlein versteht sich – auf Altbewährtes zurück, weil sie ihre propagierte Kost selbst nicht mehr vertrugen. Natürlich finden sich unter den Ernährungsextremisten mitunter auch solche, die besonders verdauungsstark sind und längere Zeit mit Fasernahrung zurecht kommen. Dass aber die allermeisten Zeitgenossen an Rohkost scheitern oder daran erkranken, scheint die Prediger nicht weiter zu kümmern. Im Gegenteil: „Vom Prinzip her gelten diese Empfehlungen (der Vollwerternährung, Anm. d. Red.) nicht nur für Gesunde, sondern auch für Kranke (...)”, verkündet Leitzmann in seinem Lehrbuch „Vollwert-Ernährung – Grundlagen einer vernünftigen Ernährungsweise”.

Quelle:

http://www.das-eule.de/eulenspiegel0404_...rtkost.htm


(Fortsetzung siehe nächster Beitrag)
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Nachrichten in diesem Thema
"Vollwert"-Kost - von Lena - 21.07.2006, 06:59
Re: "Vollwert"-Kost - von Uli - 17.08.2012, 12:38
Re: "Vollwert"-Kost - von Uli - 19.10.2012, 09:49
"Vollwert"-Kost - von Lena - 21.07.2006, 07:03
"Vollwert"-Kost - von Lena - 21.07.2006, 07:08
"Vollwert"-Kost - von Lena - 21.07.2006, 07:12
"Vollwert"-Kost - von Uli - 29.11.2006, 08:38
"Vollwert"-Kost - von Uli - 23.09.2007, 16:01
"Vollwert"-Kost - von Uli - 11.02.2008, 22:33

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