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Der 8. Tag - Gentechnologie
#1
Der 8. Tag
Der SPIEGEL 2/2004
Als Gottfried Glöckner die Welt noch berechenbar schien, war er ein verlässlicher Verbündeter des Schweizer Agro-Konzerns "Syngenta". Wenn der Konzern den Bauern brauchte, der in öffentlichen Diskussionen die Möglichkeiten der Gentechnik pries und die Risiken fortredete, war Glöckner zur Stelle.
Wenn der Konzern jemand brauchte, der seine Felder für den Anbau von genmanipuliertem Mais zur Verfügung stellte, stimmte Glöckner zu.
Und wenn die militanten unter den Gentechnik-Gegnern Glöckners Pflanzen vergifteten, Beton und Eisen im Boden versenkten, Hanf pflanzten und ihn als Drogenbauern diffamierten, schüchterte das Glöckner nicht ein. Er ging hinaus auf sein Feld, ein mächtiger Mann in Latzhose, mit tief profilierten Gummistiefeln an den Füßen, stritt mit den Besetzern, zog den Schrott und Beton aus der Erde der seine Maschinen ruinieren sollte, und dann pflanzte er neu.
Glöckner war ein Missionar der Gentechnik, er war laut, unübersehbar und unbeirrbar. Er glaubte an weniger Schädlinge auf dem Feld, an höhere Erträge, an mehr Geld in seiner Kasse und an eine bessere, weil effektivere Landwirtschaft.
Glöckners Hof liegt in den Hügeln Hessens. Die Erde hier ist schwarz und schwer, und auf ihr, abseits des Dorfes Wölfersheim, stehen ein par Klinkerbauten. Wohngebäude, Wirtschaftsgebäude, Stall, eine Garage für Maschinen und Autos bilden ein Quadrat, fast ganz geschlossen. Auf der Frontseite des Stalles, kurz unter dem Giebel, hängt unübersehbar und stolz ein Schild : Weidenhof steht da, darunter ist eine perfekte Kuh zu sehen.
Seit seiner Jugend arbeitet Glöckner in Ställen und auf dem Acker. Immer wirtschaftete er konventionell, sprühte Herbizide und Insektizide nach Plan, um das Futter für seine Kühe zu ernten. Sein Ehrgeiz war, die Ernten zu erhöhen, die Leistungen seiner Kühe zu steigern. Nie wollte er ein Ökolandwirt sein, der vermeintlich Besseres in geringerer Menge herstellt. Glöckner wollte immer Gutes in möglichst großer Menge.
Gern testete er neue Pflanzenschutzmittel, neue Futterzusätze. Er sah keine Risiken darin. Schließlich war alles erprobt, analysiert, zertifiziert. Und wenn unerwartet doch einmal Probleme auftauchen sollten, ließen sie sich mit Hilfe der Technik lösen. Das System funktioniert, daran glaubte Glöckner fest.
Er war der perfekte Verbündete der Gentech-Industrie. Bis zum Sommer 2001, als ihm 5 Kühe starben und ihr Tod sein Weltbild in Trümmer legte.
Jetzt ist er der perfekte Verbündete von Greenpeace!
Bis zu diesem Zeitpunkt im Sommer 2001 glaubte Glöckner genau zu wissen, was richtig war und was falsch, was wissenschaftlich gesicherte Tatsache war, was unbewiesene Spekulation und übersteigerte Angst. Der Genmais, den er anbaute, war gesundheitlich unbedenklich, für Menschen und Tiere. Er wurde auf mehreren hunderttausend Hektar in den USA und Kanada angebaut, er wurde geerntet und an die Kühe verfüttert. Die Milch der Tiere war einwandfrei, das Fleisch war es auch.
Aus diesen unumstößlichen Fakten, aus Studien, Analysen und wissenschaftlichen Versuchen hatte er sich sein Weltbild gezimmert.
Glöckners Abschied von seiner alten Welt begann am 9. Januar 2001. Als er an diesem Tag seine Kühe untersuchte, den Stall säuberte, entdeckte er, dass einige Tiere an Durchfall litten., Euterödeme kamen hinzu, dann Blut in der Milch. Schließlich legten sich die Tiere hin, mit Schaum vor dem Mund, Krämpfe schüttelten ihre Körper. Der Tierarzt konnte sie nicht retten.
Glöckner konnte sich das Sterben nicht erklären, 5 Kühe in einem Sommer. Er ist ein Bauer, der Landwirtschaft als gezielte Optimierung der Natur begreift. Die Leute im Dorf sagen, er sei sehr penibel, sehr stur und sehr ehrgeizig. Glöckner dokumentierte seine Arbeitsschritte genau, notierte ausgebrachte Mengen, erzielte Resultate. Den ungeklärten Tod seiner Kühe sah er als persönliche Niederlage, als einen Makel, den er zu tilgen hatte.
Er begann, seine Unterlagen zu durchsuchen, studierte die einschlägige Fachliteratur, korrespondierte mit Mikrobiologen.
Er stellte Fragen, viel Fragen, viel zu viele Fragen für jemanden, der kein Wissenschaftler ist:
- Wieso verändert sich der pH-Wert im Pansen der Kuh?
- Warum fluktuiert der Aminosäuregehalt im Magen um 24%?
- Bildet der überflüssige Stickstoff Zellgifte?
- Wieso bricht die Milchproduktion der Kühe erst 4 Tage nach dem Absetzen leistungssteigernder Futterzusätze ein?
- Ist der Genmais doch eine Gefahr? Ist er eine Zeitbombe?
Er begann zu forschen, als Autodidakt, zeitweise investierte er die Hälfte seiner Arbeitszeit in das Projekt, über 10 000€ gab er aus in 3 Jahren für Analysen. Untersuchungen, mühselig fügte er Wissenssplitter zu etwas zusammen, das er heute sein Gesamtbild nennt.
Und nun sitzt er am Tisch in seinem Esszimmer, einem kargen, weiß geputzten Raum. Es ist ein milder Wintertag, die Ernte ist längst eingebracht, der Hof liegt ruhig, nur ein Helfer reinigt draußen die Maschinen.
Vor Glöckner auf dem Tisch liegen seine Akten. Er hat sie aufgestapelt, sie bilden einen berg, gebaut aus Zahlen, vielsilbigen Worten und Anmerkungen in seiner Kinderschrift. Glöckner ist stolz auf diese Ansammlung von neuen Fakten. Aus ihnen konstruiert er sein aktuelles Bild der Welt.
Glöckner räuspert sich, ruckelt auf seinem Stuhl herum , als fühle er sich unbehaglich und sagt dann:> Ich habe mich getäuscht, damals. Die Kühe können nur durch den Mais gestorben sein. < Er müsse seine Tiere schleichend vergiftet haben.
Diese Sätze hat er schon häufig formuliert, aber sie fallen ihm immer noch nicht leicht, das erste Mal war es ein Bekenntnis, kaum kleiner als die Abkehr eines Gläubigen von seiner Kirche. Der Mais, den Glöckner an seine Kühe verfütterte, war eine Variante einer Hochleistungssorte, genannt „Pactol CB“, der ein Gen einer Bazille eingebaut wurde. „ Bacillus thuringiensis“, 176 Versuche benötigten die Wissenschaftler des Schweizer Agro-Konzerns Syngenta, um ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erhalten. Daher der Name der neuen Pflanze: Bt-176.
Das Gen versetzte die Pflanze in die Lage, ein Insektengift zu produzieren, das die Darmwand eines seiner Feinde, des Maiszünslers, perforierte. So informierte Syngenta, die Nummer 3 im globalen Saatgutgeschäft, nach der Konstruktion der Pflanze die Fachöffentlichkeit und Kunden. Fresse sich die Larve in den Gemais, sterbe sie schnell. Das Sprühen von Insektiziden, um den Maiszünsler zu stoppen, entfalle. Gesundheitliche Schäden von Kuh und Mensch seien bislang nicht bekannt.

Fortsetzung folgt......


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Der 8. Tag - Gentechnologie - von Uli - 05.03.2005, 09:08
Re: Der 8. Tag - Gentechnologie - von Uli - 17.07.2008, 21:17
Re: Der 8. Tag - Gentechnologie - von Uli - 14.04.2009, 17:20
Jetzt schlägt`s aber 13! - von Uli - 22.04.2009, 14:52
Re: Der 8. Tag - Gentechnologie - von Bolek - 22.04.2009, 23:19
Re: Der 8. Tag - Gentechnologie - von Uli - 13.03.2010, 17:43
Re: Der 8. Tag - Gentechnologie - von Uli - 26.04.2010, 08:18
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Re: Der 8. Tag - Gentechnologie - von Uli - 22.03.2014, 10:10
RE: Der 8. Tag - Gentechnologie - von Uli - 25.02.2015, 14:06
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